DIE GELEGENHEIT ZUM KAUF

Es ist offensichtlich, dass der Markt den Preis eines Unternehmens vorgibt. Die gängige Art zur Berechnung dieses Unternehmenswertes geschieht über die Multiplikation des PER (Price Earning Ratio) mit den aktuellsten Gewinnen vor Steuer, Abschreibung und außerordentlichen Gewinnen (EBITDA). Mit aktuell sind die die per dato zurückliegenden 12 Monate gemeint und nicht – so wie früher – die Prognose der zukünftigen Unternehmensgewinne. Es ist anzumerken, dass ein potenzieller Käufer aus der Industrie, der folglich meist aus demselben Industriezweig kommt wie das zu kaufende Unternehmen, die durch die Akquisition entstehenden zusätzlichen Gewinne, also das Synergiepotenzial im Kaufpreis positiv berücksichtigt. In den aktuellen Zeiten jedoch führt es höchstens zu einer flexiblen Anpassung des PER, wobei das Grundprinzip bestehen bleibt: „Die Synergien kommen dem Käufer zu Gute“, da er das Risiko trägt.

Entsprechend dem geschilderten Szenario haben Firmen aus der Transport- und Logistikbranche ihre Preisvorstellungen für einen möglichen Kauf des Unternehmens, bzw. Goodwill deutlich gesenkt. Der marktübliche PER hat sich gemäß der letzten Transaktionen auf Werte von 6 – 7 gesenkt. Multipliziert mit dem gesunkenen EBITDA – dieser liegt durchschnittlich bei ca. 60 % von dem vor 4 Jahren – führt dies im Ergebnis zu einem um 75 % gesunkenen Unternehmenswert. Viele gehen diesbezüglich davon aus, dass wir das Tal bereits erreicht haben und dass in 3 Jahren der PER wieder bei 7 – 8 liegen wird. Multipliziert mit der Steigerung des EBITDA von ca. 15 % führt dies zu einer Preis- und Wertsteigerung von 30 %. Berücksichtigt man den Zeitaufwand einer Unternehmenstransaktion – sie liegt zwischen 9 und 12 Monaten – so zeigt sich, dass wir uns heute in einem strategisch klugen Moment für eine Unternehmensakquisition befinden.

Deutsche Attraktion in Spanien

Das spanische, börsennotierte Einzelhandelskette „Dia“ hat zum September 2012 das Spanien- und Portugalgeschäft der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker zum Preis von rund € 70 Mio. erworben. Dies ist in vielfacher Hinsicht eine interessante und seltene Nachricht aus dem Bereich Distressed M&A von Logistikgetriebenen Unternehmen in Europa. Ein spanisches Börsenunternehmen kauft im eigenen Land das lukrative Auslandsgeschäft eines deutschen, insolventen Personenunternehmens aus der Insolvenzmasse heraus. Gerettet wurden so rund 4000 Arbeitsplätze in der iberischen Halbinsel mit ca. € 320 Mio. Umsatz. Das Deutschlandgeschäft von Schlecker war hingegen so unattraktiv, dass bis zum Ablauf der dreimonatigen, vorläufigen Insolvenz kein Investor gefunden wurde und nun das gesamte Unternehmen abgewickelt werden muss.

Für den deutschen und in Spanien arbeitenden Verfasser dieses Artikels ist dies ein interessanter, jedoch kein einzigartiger Fall in dem Spanien in ein deutsches Unternehmen investiert. Im August des laufenden Jahres investierte ein Unternehmer begleitet von Gaullar in ein mittelständisches Logistik- und Transportunternehmen im Süden von Deutschland und rettete es so knapp vor der Insolvenz. Die Beispiele zeigen, dass Unternehmen für einen aktiven Investor allein durch den Perspektivenwechsel einen ganz anderen Charme bekommen können. So führt allein der „bildliche“ Gang über die Grenze zu einem veränderten Bild und kann die europäischen – hier genauer: spanisch-deutschen Handelsbeziehungen – fordern und fördern.